Dies ist ein Gastartikel von Michal Kohútek. Er hat die Oculus Go für uns getestet!
Schon damals, als die erste Oculus Rift erschienen ist, dicht gefolgt von der HTC Vive war ich sehr versucht diese zu kaufen, da ich mich sehr für Technik begeistern kann.
Nur für ein paar nette Virtual Reality Momente in Spielen kam die Anschaffung eines VR Headset und dem dazu nötigen High-End Computer für über 1500€ nicht in Frage.
Außerdem teile ich mir eine Wohnung mit anderen Familienmitgliedern und habe deshalb nicht genug Platz um mich mit dem VR Headset bewegen zu können.
Als Open Source Befürworter ist es mir ein Rätsel weshalb weder Oculus noch SteamVR gut unter GNU/Linux funktionieren.
SteamVR funktioniert zwar unter Linux, allerdings fehlen viele Treiber und Apps.
Deshalb habe ich beschlossen zu warten bis es neue, günstigere Modelle gibt und ich mehr Platz im Wohnzimmer habe.
Dann ist etwas sehr cooles passiert: Sowohl Samsung als auch Google fingen an sich für den VR Markt zu interessieren.
Ich war gerade auf der Suche nach einem neuen Mittelklasse Android Smartphone was mein kaputtes Ubuntu Phone ersetzen sollte und das Axon 7 wäre sogar mit Google Daydream kompatibel gewesen.
Leider hat die Daydream Plattform das selbe Problem wie die meisten neuen Google Produkte: Erst startet man ein neues, cooles Projekt und Produkt, dann setzt man es aus und irgendwann verhungert es wegen fehlendem Support.
Bei Samsung‘s Gear VR sieht es schon besser aus dank der Unterstützung von Facebook‘s Oculus. Leider wird hier ein Flagship Galaxy Smartphone von Samsung vorausgesetzt was den Geldbeutel eines Informatikstudenten in der Slowakei sehr schnell sprengt.
Dieses Problem löste sich von selbst als die Oculus Go vorgestellt wurde. Ein eigenständiges VR Headset für 200€.
Hardware
Angesichts des Preises verwundert es nicht, dass die Oculus Go nicht wirklich mit den Spezifikationen beeindrucken kann.
Der angepasste Snapdragon 821, 3GB RAM, das mit 2560×1440 Pixel auflösende 5,5″ LCD-Display mit 60-72Hz sowie die Fresnellinsen mit 100° Sichtfeld genügen allerdings für ein gutes VR-Erlebnis zu einem günstigen Preis.
CPU und RAM ordnen es in die „Flaggschiff von 2016“-Kategorie ein, aber da sie schön übertaktet, für VR optimiert und mit einem großen Kühlkörper (ganze Front des Gerätes) ausgestattet ist, hält es gut mit.
Ich erlebe manchmal Dropped Frames und Stottern in der Benutzeroberfläche, oder einige ruckelnde Spiele (Racket Fury, du bist gemeint), aber die Gesamtleistung ist verdammt beeindruckend.
Die Grafikausgabe ist das, was man von einem mobilen VR-Headset erwarten würde, aber das stört mich nicht sehr.
Mein Gerät hat 32 GB Speicherplatz, und obwohl ich mir manchmal wünsche, dass ich mich für die 64-GB-Version entschieden hätte, ist es doch handhabbar. Es gibt derzeit keine Möglichkeit, den Speicher zu erweitern, weder über USB-OTG-Laufwerke noch über einen MicroSD-Steckplatz. Man muss aber auch wirklich nicht die gesamte Oculus Spielebibliothek auf dem Gerät selbst speichern und würde die fehlende Erweiterbarkeit auch nur als einschränkend empfinden, wenn man qualitativ hochwertige, lokal gespeicherte 360°-Videos ansehen möchte. Das kann durch das Streaming von Inhalten vom PC, entweder mit Samba oder einigen proprietären Bullshit-Protokollen, die von verschiedenen Anwendungen verwendet werden, gemildert werden. Dieses Problem wird auch durch ein zukünftiges Update behoben, das die Verwendung von OTG-Flash-Speicher ermöglicht.
Das Display, wenn auch mit LCD statt herkömmlichem OLED, ist erstklassig. Es nur der Vive Pro unterlegen, aber das ist eine andere Geräteklasse. Das 100° Sichtfeld erzeugt eine Art Schwimm-/Skibrillen-Effekt, aber man gewöhnt sich leicht daran. Die normale Bildwiederholrate sind 60Hz, was für VR niedrig ist, aber die Liste der Anwendungen, die mit 72Hz kompatibel sind, wächst und um ehrlich zu sein war ich wirklich überrascht, dass nach ein paar Tagen des Gebrauchs meine durch die niedrige Wiederholrate erzeugte Motion Sickness verschwunden und noch nicht zurückgekehrt ist. Der Screen-Door-Effekt ist vorhanden, aber er hat mich nie wirklich gestört, wenn ich mit der Vive oder der Rift gespielt habe, und mit der höheren Bildschirmauflösung der GO ist er weniger ausgeprägt.
Für die Brillenträger unter uns, mich eingeschlossen, gibt es die Möglichkeit, einen Einsatz hinter dem Schaumstoff anzubringen, um den Abstand zwischen den Augen und den Linsen zu vergrößern. Wenn man eine Brille in normaler Größe hat kann man jetzt VR verwenden, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu bereiten, dass der Rahmen oder die Gläser am Headset beschädigt werden könnten. Ich selbst benutze den Einsatz, aber meistens trage ich immer noch Kontaktlinsen, denn wenn man wie ich ist, verdoppelt sich mit der Anzahl der Linsen auch die Wahrscheinlichkeit, dass man irgendwo in seinem Blickfeld einen lästigen Fleck hat.
Das Headset wiegt weniger als 500g und die Gurte sind sehr bequem. Ich kann die Go eine Stunde lang tragen, ohne mich allzu müde zu fühlen, obwohl man nach einigen Minuten einen typischen „Oculusring“ im Gesicht bekommt. Die Verarbeitung ist ein guter Kompromiss aus Qualität und Preis, die sich robust und sogar erstklassig anfühlt, wenn man den Preis bedenkt. Auf der Seite der GO befinden sich ein Micro-USB-Lade-/Datenanschluss und eine 3,5-mm-Kopfhörerbuchse. Ich habe die Buchse überhaupt nicht benutzt, da die Lautsprecher gleichzeitig laut und klar genug sind, um Filme zu sehen und Spiele zu spielen, und gerichtet genug, um die Umgebung nicht zu stören. Die Klangtrennung ist auch ziemlich erstaunlich. Oculus sagt, dass wir die Go beim Laden nicht benutzen sollten, aber da sich Carmack nicht um diese Warnung kümmert, halte ich es für eine rechtliche Rückversicherung.
Das ist gut, denn die Akkulaufzeit ist so lala. Die Akkukapazität beträgt 2600mAh und die Nutzungszeit beträgt ca. 1,5 – 2 Stunden. Gut genug für Spiele, aber nicht für Netflix-Binge-Watching oder längere Filme. Glücklicherweise werden externe Akkus ziemlich günstig und man kann einen 10.000mAh-Akku für 10€ bekommen. Die Oculus Go unterstützt kein Schnellladen, was eine Schande ist, aber die Nutzung nicht allzu sehr beeinträchtigt.
Controller
Der Controller bietet 3 Freiheitsgrade. Das bedeutet, dass er erkennt, wenn man ihn dreht oder kippt, dabei aber seine Position im Raum nicht kennt. Gleiches gilt für das VR-Headset selbst. Das beschränkt euch auf eine stehende Position oder vorzugsweise aufs Sitzen in einen Drehstuhl. Das wirkt sich nicht wirklich auf das Ansehen von Filmen in einem virtuellen Kino aus, wirkt aber für Spiele und VR-Erlebnisse sehr einschränkend. Es gibt eigenständige 6DOF-Headsets auf dem Markt (Lenovo Mirage Solo und Oculus Vive Focus), aber es mangelt ihnen entweder an Softwareunterstützung und/oder sie sind auf den chinesischen Markt beschränkt und viel teurer. Es gibt auch Addons von Drittanbietern, die dem Gerät Unterstützung für 6DOF hinzufügen, aber sie haben das gleiche Problem wie die eigenständigen 6DOF-Geräte. Alles in allem müssen wir warten, bis die Oculus Santa Cruz oder die Vive Focus weltweit verfügbar sind, um „richtige“ VR unterwegs zu genießen.
Oculus Go Controller basiert auf dem Design des GearVR Controllers und das ist eine gute Sache. Er ist auch über längere Zeiträume gut in der Hand zu halten, hat große Trigger-Taste und obwohl das Tracking des Touchpads mittelmäßig ist verrichtet es seine Arbeit gut genug. Ich habe nur ein Problem mit der Tastenanordnung: Man verwechselt oft und leicht den Zurück-Button mit dem Home-Button. Es ist doof zu versuchen zum Menü des Spiels zu gelangen und stattdessen zum Startbildschirm zurückzukehren und 10 Sekunden zu verlieren, bevor man wieder an die Arbeit gehen kann. Ich habe nicht viel Controller-Drift erlebt, außer in einigen nervigen Spielen (wieder Racket Fury!).
Einige Spiele erfordern ein Gamepad. Man kann so ziemlich jedes Bluetooth-Gamepad über die App auf dem Smartphone oder jedes kabelgebundene USB-Gamepad via Micro-USB-Adapter anschließen. Ich habe noch nicht viel Verwendung für das Gamepad gefunden, da ich meine Go hauptsächlich zum Filme gucken verwende und um Spiele zu spielen, die es nicht wirklich brauchen. Ich werde es mit einem Steam-Controller ausprobieren wenn ich ihn bekomme, da er kürzlich Firmware-Unterstützung für Bluetooth LE erhalten hat.
Software
Die Benutzeroberfläche des von Oculus angepassten Android ist großartig. Es ist einfach genug zu bedienen für jeden Sechsjährigen, man gelangt schnell zu jeder Anwendung und es hat coole Standard 360° Bilder. Dem Appstore fehlt eine Wunschlisten-Funktion, was blöd ist, weil es eine riesige Auswahl an coolen Inhalten im Oculus Store gibt. Ich muss zugeben, dass ich den Preis meines Oculus Go vielleicht bereits verdoppelt habe, indem ich einen ganzen Haufen tolle Apps und Spiele gekauft und wirklich nur einen kleinen Teil davon gespielt habe. Viele der VR-Apps sind nur in den USA verfügbar, aber dafür gibt es ja ein VPN 😉
Ich bin auf einige Softwarefehler gestoßen, die sich hauptsächlich auf die Dateiverwaltung beschränken. Ich kann die Samba-Freigabe im Pigasus-Videoplayer nicht zum Laufen bringen und wenn ich Dateien vom Gerät über den Dateimanager auf meinem Computer lösche, gibt das Gerät den Speicherplatz nicht frei, bis es neu gestartet wird. Ansonsten kann der gelegentliche Absturz der App beim Drücken der Home-Taste (argh…. Racket Fury!!!!) zwar ärgerlich sein, aber das Erlebnis nicht ganz zerstören.
Das Sideloading anderer Android-Apps scheint einfach genug, aber ich habe noch nicht das Bedürfnis danach verspürt. Obwohl Minecraft VR großartig klingt, gibt es so viele offizielle Inhalte, die ich noch nicht ausprobiert habe, und so viele, die jeden Monat veröffentlicht werden, dass es noch lange dauern kann bis ich nichts mehr mit meinem Headset zu tun habe. Für diejenigen, die über eine umfangreiche GearVR-App-Bibliothek verfügen, dürfte das Sideloading auf jeden Fall
einen Blick wert sein (Anleitung).
Eindruck & Fazit
Selbst als Facebook-Hasser muss ich zugeben, dass ich mich in die Oculus Go verliebt habe. Sie ist nicht zu vergleichen mit der Rift oder Vive, nicht einmal mit der PlayStation VR in Bezug auf die Leistung, aber diese drahtlose und eigenständige Umsetzung eines coolen Konzepts steckt sie alle in die Tasche wenn es an die Bequemlichkeit geht. Sie hat den Reiz eines Spielekonsole aus der Zeit vor langen Updates und Bootzeiten. Wann immer ich mehr als 10 Minuten Freizeit habe, habe ich die Möglichkeit, in den virtuellen Raum einzutauchen oder einen Teil einer Episode in einem virtuellen Kino oder auf der Mondoberfläche zu sehen.
Es macht selbst einfache Dinge wie das Ansehen eines 2D-Films oder das Spielen eines „Pancake-Style“-Spiels (Spiele, die auf traditionellen Displays gespielt werden) so viel immersiver. Ich bringe die Go fast zu jedem Familientreffen mit und meine Familie und Freunde lieben es. Die Kinder benehmen sich um das Universum in einer Rakete zum Mars erkunden, Tischtennis gegen einen rostigen Roboter spielen oder sich vor einem Zombieangriff fürchten zu dürfen. Auch alte Leute sind vom Immersionsfaktor beeindruckt. Das einzige Problem ist, dass meine Brüder und Cousins jetzt ständig von ihren kleinen Satansbraten genervt werden ihnen auch welche zu kaufen. Zum Glück für sie ist der Preis für das Erlebnis niedrig genug für ein Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk.
Dieser Artikel erschien auch auf Michal’s Blog und wurde von André Hahn und Marius Quabeck übersetzt.