Der Traum vom Fliegen – Birdly im Test

Ralf vom LibreZoom-Team hat uns über die Telegram-Gruppe auf einen Aussteller auf der Gamescom hingewiesen, der sofort unser Interesse geweckt hat: Am Messestand der schweizer Spieleindustrie präsentierte die Somniacs AG ihren Flug-Simulator Birdly. Das Gerät, das im Bild von Ralf zu sehen war, sah so interessant aus, dass wir es uns einfach direkt vor Ort ansehen mussten. Leider stand es im Fachbesucherbereich der Messe, der uns mit unseren Pressetickets zwar zugänglich war, den normalen Besuchern aber verwehrt bleibt. Und wie das auf Messen halt so ist, sind wir beim ersten Mal natürlich direkt am Stand vorbeigelatscht und haben dann ein wenig frustriert nach dem Aussteller gesucht.

Als wir dann endlich keine Tomaten mehr auf den Augen hatten, zeigte sich schnell, dass sich die Suche gelohnt hatte: Am Stand, umgeben von einer kleinen Traube Fachbesucher, lag ein Mann mittleren Alters bäuchlings auf einer seltsam anmutenden Vorrichtung. Auf dem Kopf trug er eine HTC Vive VR-Brille, die Arme hatte er zu den Seiten ausgestreckt und die Hände auf zwei Kunststoff-Vierecken platziert, die er nach vorne und hinten kippte und auf- und abbewegte. Den großen Ventilator am Kopfende der Vorrichtung, der ihm stetig Wind ins Gesicht blies, brauchte es eigentlich schon nicht mehr, um ein kurioses Bild abzugeben. Aber er rundete es schön ab.

Ein zweiter Blick offenbarte neben dem Bildschirm hinter dem Gerät, auf dem eine VR-Simulation lief, dass das Gerät auch in der Lage war, sich nach vorne, hinten und zu den Seiten zu neigen. Nachdem wir uns das Spiel mit dem Gerät und der Simulation auf dem Bildschirm eine Minute lang angeguckt hatten, meinte Marius, dass wir das unbedingt einmal ausprobieren müssten. Er entschied dann kurzerhand, dass das Kopfband der Vive seiner gelgestylten Frisur nicht zugemutet werden könne (Angsthase!) und daher ich das Testen übernehmen solle. Nachdem die Handvoll Leute vor mir in der Schlange jeweils zwei Minuten lang das Gerät testen konnten, stürzte ich mich also todesmutig und ohne jegliche Rücksicht auf meine Haartracht in die virtuellen Lüfte.

Somniacs hatte zum Testen zwei Demos dabei. Korrektur: Als ich am Stand war hatte Somniacs zwei Demos im Einsatz. Insgesamt hatten sie mehr als 10 unterschiedliche Experiences dabei, die ihr auch auf ihrer Website findet. Ein paar davon sind allerdings noch so nagelneu, dass sie auf der Website noch nicht gelistet sind. Alle vor mir in der Schlange spielten die Jurassic Flight Demo, bei der man einen – dank VR natürlich nicht sichtbaren – Flugsaurier durch eine von diversen Dinosauriern bevölkerte Welt steuert. Da sich Marius, während ich in der Schlange anstand, mit einem der Verantwortlichen am Stand abgesprochen hatte, durfte ich stattdessen die Cities We R Demo spielen.

Gut zu sehen: der rote Button am rechten Flügel.

Nach einer kurzen Einweisung durch die Mitarbeiterin am Simulator durfte ich dann für 2 Minuten loslegen. Die Steuerung des Simulators ist recht einfach. Neigt man die beiden „Flügel“ nach vorne, geht man in den Sinkflug. Dabei neigt sich auch das ganze Gerät nach vorne und der Ventilator fängt kräftig an zu blasen, so dass einem fast wörtlich der Wind um die Ohren pfeift. Neigt man die Flügel in die Gegenrichtung, geht man in den Steigflug. Darauf reagiert das Gerät dann natürlich mit einem Neigen nach hinten. Damit man auch ordentlich an Höhe gewinnt, muss man noch kräftig mit den Flügeln schlagen – sonst geht es ganz schnell abwärts, sobald der Schwung aufgebraucht ist. Zu guter Letzt kommt dann noch der schwierige Teil: das Lenken nach links und rechts. Hierbei muss man auf der Seite, auf die man zusteuern möchte, den Flügel nach hinten neigen, während man auf der anderen den Flügel nach vorne neigt. Dabei kippt der Simulator jeweils zur Innenseite der Kurve.

Die Cities We R Demo war, denke ich, die etwas spannendere der beiden. Ich konnte mich im Sturzflug in die Tiefe begeben und erst knapp vor dem Asphalt bremsen oder knapp an Glaswänden vorbei durch Hochhausschluchten fliegen. Das Gefühl, das einem der Birdly dabei vermittelt, ist einfach großartig. Ich bin kein Freund des Fliegens und habe durchaus einen gewissen… sagen wir… Respekt vor Höhen, aber das Fluggefühl hatte für mich nichts Verunsicherndes. Mit maximaler Geschwindigkeit in die Tiefe zu stürzen, den Wind im Gesicht, erinnerte mich eher daran, wie man als Kind gerne mit dem Fahrrad besonders schnell einen Hügel hinunter gefahren ist. Aufregend, befreiend, aber nicht beängstigend (naja, solange man noch sicher bremsen kann).

Die Anwendungsmöglichkeiten des Birdly sind natürlich recht begrenzt. Das Gerät ist trotz seiner – wie ich finde – doch recht kompakten Bauweise für private Haushalte einfach zu groß und sperrig. Ein Spiel nur ums vogelgleiche Fliegen herum zu bauen, hat am Spielemarkt auch bestimmt seine Nische, aber eben keine allzu große. Es ist in sich ein einzigartiges Erlebnis, aber doch eher schwierig in die Spielegenres des Massengeschmacks einzubauen. Die Stadt Ulm hat zusammen mit Birdly eine Reise durch die historische Entwicklung der Stadt entwickelt, die das Stadt-aus-der-Luft-Szenario um eine interessante Ebene erweitert. Ich kann mir Birdly auch gut als zusätzliche Ebene für ein Co-op-Spiel vorstellen: Das Team löst Missionen am Boden und ein weitere Spieler benutzt einen Birdly zur Luftaufklärung, um zum Beispiel Gegner zu markieren oder Wege zu finden. Da der Birdly an beiden Flügeln jeweils einen Button für den Daumen hat, nehme ich an, dass es auch möglich sein wird, während des Fliegens weitere Aktionen zu steuern.

Insgesamt hinterlässt der Birdly bei mir einen sehr guten Eindruck. Das Gerät schafft eine wirklich interessante VR-Erfahrung und macht viel Spaß. Ich kann mir gut vorstellen, dass man in Zukunft in VR-Spielehallen oder Museen häufig einen Birdly wird antreffen können. Für Zuhause ist das Gerät für die meisten Haushalte aber wohl zu groß und/oder zu teuer. Eine öffentliche Nutzung wie durch die Stadt Ulm finde ich sehr sinnvoll und wünschenswert, insbesondere wenn man dabei noch etwas Neues lernen kann. Nachtrag: Birdly wird ausschließlich Business-to-Business vermarktet und wird auch schon vielerorts weltweit eingesetzt. Zum Beispiel konnte erst letzten Monat ein Birdly am Flughafen Hannover mit den beiden oben genannten Demos genutzt werden.

Jahrgang 1994. Gelernter Fachinformatiker für Systemintegration und zur Zeit Student der Informatik an der TH Köln. Programmiert, benutzt Solus und bastelt mit Technik. E-Gitarren-Spieler und -Verbastler. Liebt Podcasts und Hörspiele sowie Hörbücher. Interessiert sich für (Netz-)Politik.

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